Es war uns ein Bedürfnis die Namen der 137 Kinder und der 11 Betreuer und Betreuerinnen, die die Kinder freiwillig begleitet haben, als zentrales skulpturales Element des Gedenkortes zu materialisieren. Wir entwickelten die Namensstruktur als eine sich selbsttragende Konstruktion aus dreidimensionalen Buchstaben, die sich in ihrer Verdichtung berühren und so das gesamte Geflecht zusammenhalten. Die Buchstaben bilden Namen und Alter der Opfer. Durch das reliefhafte Volumen der Namensstruktur und die Materialität des gewählten Aluminiumgusses wird den bezeichneten Menschen eine Körperlichkeit verliehen.
Einziges authentisches bauliches Zeugnis dieser Einrichtung für jüdische Waisenkinder ist das Mauerfragment im jetzigen ersten Hof in der Schönhauser Allee 162. Die Namensstruktur steht direkt vor dieser Mauer auf dem Boden. Die Mauer ist das historische Gedächtnis des Ortes und stützt und schützt optisch die Namen der Menschen, die im November 1942 an ihr entlang abgeführt, deportiert und ermordet wurden. Die Namensstruktur steht mit ihren Eigenschaften metaphorisch für Gemeinschaftlichkeit, Verbundenheit, Mitgefühl und Geborgenheit. Diese Qualitäten zeichneten die Baruch-Auerbach ́schen-Waisen-Erziehungsanstalten für jüdische Knaben und Mädchen aus.
Die Geste des Steineablegens und -anhäufens an unterschiedlichsten Gedenkorten weltweit hat uns fortwährend gedanklich begleitet.
In die Buchstaben können von Besuchern Steinchen gelegt werden, die sie vom Boden auflesen können. Wir wünschen uns, dass die Besucher die Gedenkstätte mit dieser Geste verändern und weiterbauen.
Neben diesen zeitlosen Elementen war es uns ein Bedürfnis ein Scharnier zur unmittelbaren Gegenwart und zur haptischen Welt der Kinder zu integrieren. In eindrücklicher und selbstverständlicher Weise soll es mit den Gegenständen der heutigen Nutzung des Hofes korrespondieren. Dies gelingt durch ein subtiles Zitat. An der rechten Seite des Bearbeitungsbereiches haben wir ein altes, umgefallenes Kinderfahrrad auf den Kies montiert. Zeitlos gesehen ist dies zweifelsohne ein Gerät auf dem Kinder Spaß hätten. Hier steht es jedoch auch für die Abwesenheit des Kindes, das plötzlich alles liegenlassen musste, als es abgeholt wurde. Es ist ein sehr altes Modell und verweist somit in die Vergangenheit. Als ein im Hinterhof liegendes Fahrrad stellt es andererseits eine gegenwärtige Selbstverständlichkeit dar, zumal sich ein paar Meter weiter der aktuelle Fahrradständer des Wohnhauses befindet.
Das Fahrrad wird in Bronze gegossen und bemalt. Der erste Blick lässt es als hingefallenes Fahrrad selbstverständlich erscheinen. Beim genaueren Betrachten werden die Differenzen deutlicher. Die Gussnähte vom Bronzeguss werden z.T. sichtbar bleiben. Die Farbe ist letztendlich nicht perfekt bis ins Detail ausgeführt und generell wird es vereinfachte Elemente in der Abformung geben. Bronze ist ein haltbares und klassisches Material für Außenskulpturen; die Farbe wird sich verändern oder mit der Zeit gar abblättern. Diese zeitliche Vielfalt des Fahrrads ist eine unmittelbare Verbindung von damals und heute.
Die in ihrer Basis dreieckige Informationssäule im Hof sowie die Hinweissäule vor dem Haus haben unterschiedliche Längen je Seite und weisen jede in eine andere Richtung. Informationssäule und Hinweissäule haben dieselbe Grundform und wieder erkennbare Farbgebung, haben allerdings unterschiedliche Höhen und tragen unterschiedliche Grafik. An diesen Stellen ist es bedeutend, dokumentarische Fotografien der Kinder als Ausschnitte aus dem Leben im Auerbach auftauchen zu lassen. Historische Abbildungen und erläuternde Texte aus dem Leben sowie Schicksale der Waisenkinder und Betreuer können gut rezipiert werden.
Die grafische Gestaltung der Fotografien der Kinder versetzt sie in unsere Gegenwart. Eine fast lebensgroße Fotografie der beiden Jungen mit Fußball auf der Hinweissäule vor dem Haus stellen sie in unser Straßenbild, in unsere Realität.
Der Lageplan an dieser Säule zeigt den historischen Grundriss des Auerbachs und der ehemaligen Vorgartensituation.
Dezember 2013 _ Auftraggeber: Land Berlin, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten _ Geladener Kunst am Bau Wettbewerb, 4. Platz