Die Herausforderung besteht darin, die gegenwärtige Nutzung und Neubelebung des historischen Geländes in Form von loftartigem Wohnen zu respektieren und zu unterstützen und gleichzeitig der bedrückenden Geschichte des Ortes als ehemaliges Arbeitshaus und Gefängnis eine wahrnehmbare, informative und erlebbare Form zu geben.
Eine Mittelpromenade, die von der Hauptstraße bis zum Rummelsburger See führt, zeichnet die zentrale Achse des Areals ab. Der Entwurf formuliert sich an und auf den steinernen Streifen, die diesen mittleren Bereich durchziehen.
In einem ersten Schritt werden aus heutiger Sicht unfassbare Begriffe in den Boden eingeschrieben, die im direkten Zusammenhang mit der ehemaligen Nutzung des Areals von 1879 bis 1990 als Arbeitshaus und Gefängnis stehen. Worte aus der Literatur wie Verwahrung, Geschlossene Fürsorge, Korrigierende Nachhaft, Hospitaliten, Häuslinge, Unangepasste, Asoziale, Psychisch Abwegige, Korrektionshäuser, Arbeitsgewöhungslager wie auch Korrigendenanstalten sind erschreckende Zeugnisse eines unhumanen Menschenbildes. Diese Worte werden in die Bänder aus Schieferplatten eingelassen. Sie werden Teil des Areals und verschmelzen mit dem Boden indem sie ausgefräst und mit einem anthrazitfarbenen Material bündig ausgefüllt werden.
An klar definierten Punkten auf dem Areal wird der Blick in die Vergangenheit durch Bild- und Textbetrachter möglich. Diese festinstallierten Bildgeräte können durch ihr integriertes Display Fotos als auch Textinformationen geben. Auch hier wird der konträren Situation von Gefängnis und Unterdrückung früher, gegenüber der belebten Nutzung heute als Wohngebiet, Rechnung getragen: Die touristisch anmutenden Sehgeräte zeigen erschreckende Bilder des Ortes von Verwahrung und Haft im Innen- wie im Außenraum, wobei Innenaufnahmen wie ein Zoom ins Innere der Gebäude wirken. Den Bild- und Textbetrachter werden Bänke aus Gussbeton zugeordnet. Als Möglichkeit des Ausruhens und Verweilens sind sie an diesem Ort des Wohnens und Lebens wichtig.
Auch diese befinden sich auf den Streifen, haben die gleiche Breite und sind förmlich Erhebungen aus dem Boden. Auf den Sitzflächen der Bänke sind Zitate aus dem Lied »Die Gedanken sind frei« eingelassen. Diese Verse sind der begriffliche Gegenpart zu den Un-worten im Boden.
In seiner Zeit als Arbeitshaus, bzw. als Strafvollzugsanstalt war der nördliche Bearbeitungsbereich an der Hauptstraße ein öffentlicher Bereich. Heute ist dieser Platz ein verwaister Ort an einer Durchfahrtsstraße. Auch hier wird die Gestaltung auf den Steinbändern mit den Einschreibungen, den Bild- und Textbetrachtern und zugeordneten Bänken fortgesetzt, oder sie beginnt hier. Gefasst wird der Platz durch einen Torbogen. Dieser Torbogen ohne Tor trägt die Inschrift »Haus am See«. Diesen Namen gaben die Insassen der Haftanstalt während der DDR-Zeit. Der damals ironisch gemeinte Name ist heute Realität geworden. Für die heutigen Bewohner ist es ein Ort des Lebens, ein Zuhause, ein freier persönlicher Bereich.
Januar 2014 _ Auftraggeber: Bezirksamt Lichtenberg von Berlin _ Geladener Kunst am Bau Wettbewerb, 6. Platz